Eigenschaften von Achterbahnrädern

  • Auch wenn die Diskussion um den Fahrkomfort und Räderwechsel beim Silver Star schon ein paar Tage her ist, möchte ich gerne noch etwas ausführlicher darauf eingehen, da ich das Thema aufgrund zweier beruflicher Gründe recht spannend finde und es ggf. Leute gibt, die das auch interessant finden.


    Wie schon angesprochen ist der Normalfall ein mit Polyurethan beschichtetes Aluminiumrad, das Kern genannt wird. Dabei handelt es sich um einen durch Polyaddition entstandenen Kunststoff, je nach Herstellerfirma mit unterschiedlichen Monomeren und dadurch auch verschiedenen Eigenschaften (und Namen). Räder Vogel verwendet dabei u.a. Vulkollan® 93 / 95, wobei es sich um ein Gießelastomer (zu sehen in diesem Video des Herstellers) handelt, also einen elastisch verformbaren Kunststoff. Als Chemielehrer seien mir die Fachbegriffe verziehen, aber worauf ich hinaus möchte: Polyurethan ist ein recht weicher Kunststoff (bitte kein Gummi dazu sagen, auch wenn jenes ebenfalls ein Elastomer ist), wodurch die Räder Unebenheiten in der Strecke absorbieren können und auch recht leise sind. Hat nur den Nachteil, dass dadurch auch die Friktion erhöht ist und so die Fahrt langsamer wird. Was im Sommer nicht bedacht werden muss, ist jedoch im Winter ein Problem.


    Lösung des Ganzen: Nylon! Ein sehr harter Plastik (entstanden durch Polykondensation), wodurch die Friktion deutlich verringert wird. Auf dem folgenden Bild (wie alle von mir erstellt) ist rechts ein klassisches Laufrad von der G'sengten Sau aus Tripsdrill zu sehen.


    Hersteller ist Räder Vogel und beschichtet mit Polyurethan. Vorteil ist hier noch, dass der Kern neu beschichtet werden kann, wenn er keinen Lagerschaden o.ä. hat und nicht zu alt ist. Links sind die alten Nylonmäntel zu sehen, die früher auf der Sau eingesetzt wurden. Die sind so hart, dass der Mantel nicht einfach aufgezogen werden kann, sondern der Kern innerhalb des Mantels zusammengebaut werden muss.



    Deswegen sind auch bei den Winterrädern die vielen Schraubverbindungen zu sehen. Ist ein großer Arbeitsaufwand (weshalb bei der G'sengten Sau auch nicht mehr verwendet), hat aber einen Vorteil: durch die Härte ist das Rad so langlebig, dass es quasi keine Abnutzung gibt (deswegen verwenden auch viele italienische Herstellerfirmen gerne Räder, die komplett aus Nylon hergestellt sind. Wer mal nach Geiselwind kommt, kann dies bei Cobra gut sehen). Und um jetzt zum SiSta zu kommen: Durch die Härte werden nur leider die Unebenheiten nicht so gut abgefedert, wodurch Vibrationen entstehen. Und das merkt man leider auch. Nicht unbedingt in den Reihen 1-3, wo man diese Räder unterm Hintern hat. Vielmehr "schaukelt" sich die Vibration nach hinten auf. Nach 17 Fahrten gestern kann ich sagen, dass in Reihe 6 von Zug 2 das Fahrerlebnis etwas ruppiger ist. Der Rest geht einigermaßen. Zug 3 ist dagegen in diesem Jahr in fast allen Reihen deutlich holpriger unterwegs. Wer keine Lust auf Vibrationen hat: Ab in Reihe 1.


    Zum Thema Schnelligkeit ein paar Zahlen aus dem Parc Asterix von Oziris (Videotipp: Ein bombastischer Backstagebericht, wenn man französisch spricht oder englische Untertitel lesen kann): Pro Achse, die auf Nylonräder umgestellt wird, wird die Fahrzeit um zwei Sekunden reduziert. Heißt, der Zug verliert weniger Energie in Form von Reibung und bleibt "länger schnell". Führt dann beim SiSta dazu, dass die Züge im Laufe des Tages und zunehmender Temperatur der Lager so schnell durch die Trims brettern, dass die Geschwindigkeit zu hoch ist und die Trims im Gegensatz zum ersten Winterjahr greifen. Als Tipp: Wenn die zweite Trim greift, ist die Blockbremse meist sehr nett und der Zug rauscht durch. Greift dagegen die erste Trim schon, dann lässt die zweite Trim den Zug in Ruhe und die Blockbremse vermasselt den Spaß. Zweiter Tipp: Viel Wind. Dann ist die Blockbremse meist ausgeschaltet.


    Normalerweise findet man die Nylonräder am ehesten bei den Invertern, die dadurch auch ihren klassichen Invertersound bekommen, wie ihn im Winter auch der SiSta hat:



    Wie hier bei der Black Mamba. Auf den Invertern werden die Räder teilweise auch im Hochsommer eingesetzt, um eben Wartung an abgefahrenen Rädern zu umgehen, Geld zu sparen und die Züge mit einem guten Tempo durch die Strecke gleiten zu lassen. Zum Beweis ein Bild vom Sommer aus California's Great America neben dem 49ers Stadion. Dort zu finden: Flight Deck. Und was erspähen meine Glubscher bei über 30°:



    Beim SiSta hat man übrigens zu Beginn noch etwas experimentiert. Zunächst fuhr nur ein Zug mit einer Achse mit Nylonrädern zum Testen. Bei Zweizugbetrieb hat man dann nicht nur am Geräusch, sondern auch vom Fahrerlebnis schnell gemerkt, in welchem Zug man gesessen ist. Mittlerweile sind es drei Achsen, die mit Ende der Sommersaison umgerüstet werden. Mehr werden es auch nicht mehr werden, wenn selbst bei einstelligen Temperaturen die automatischen Trims greifen.


    Achterbahnräder haben irgendwie etwas faszinierendes an sich ...

  • Hier noch als Ergänzung: Da ich die Cobra in Geiselwind angesprochen habe, hier noch ein von mir gemachtes Bild von meinem Besuch im Juli. Zu sehen die Nylonräder, die quasi nur aus Nylon bestehen. Würde mich interessieren, ob sich am Fahrempfinden etwas ändern würde, wenn man auf Polyurethan wechseln würde. Es würde mich nicht wundern, wenn das noch der erste Radsatz von der Auslieferung ist.



    Das Matterhörnchen fährt aktuell übrigens auch auf der hinteren Achse mit Nylon. Hab nur gerade kein Bild parat.